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Eine kurze Geschichte zur Einführung dynamischer Dienstleistungsentgelte?

28. März 2025

Bis vor wenigen war der quantitative Vergleich von Direktvermarktungsangeboten schnell gemacht. Man hatte eine Reihe an Angeboten mit fixen Dienstleistungsentgelten, hat diese aufsteigend sortiert und hat dann die Angebote der Reihe nach im Detail geprüft. Dieser simple Ansatz funktioniert leider nicht mehr, denn die Produktlandschaft in der Direktvermarktung ist heute diverser und damit schwieriger vergleichbar.

Wofür erhebt der Direktvermarkter sein Dienstleistungsentgelt?

Über das Dienstleistungsentgelt deckt der Direktvermarkter seine Kosten für

  1. die Handelsinfrastruktur,
  2. die Übernahme kurzfristigen Mengenrisiken bzw. das Balancing bei Prognoseabweichungen und
  3. die Übernahme das kurzfristigen Preisrisikos bei der Auszahlung des energieträgerspezifischen Marktwertes.

1. Handelsinfrastruktur

Die Kosten für die Handelsinfrastruktur sind mehr oder weniger fix und umfassen beispielsweise Kosten für die Börsenzugänge, Handels und Abrechnungssysteme, die Energiehändler, etc. Je größer das Portfolio eines Direktvermarkters, desto besser kann er diese Kosten umlegen.

2. kurzfristige Mengenrisiken

Der Direktvermarkter verkauft immer die vorhergesagte eingespeiste Energie einer Anlage - zunächst am Vortag am Day-Ahead-Markt und danach am Intraday_Markt (bis fünf Minuten vor Lieferung). Je kurzfristiger die Prognosen, desto geringer die Abweichungen zur tatsächlich eingespeisten Energie. Für die nach dem Intraday-Handel verbliebene Abweichung muss der Direktvermarkter die von den Netzbetreibern bereitgestellte Regelenergie bezahlen. Die Risiken, die in der Vorhersage stecken, werden als kurzfristiges Mengenrisiko oder Inbalance-Risk bezeichnet

3. kurzfristiges Preisrisiko

Wenn der Direktvermarkter dem Betreiber den energieträgerspezifischen Monatsmarktwert auszahlt, dann kann eine Verschiebung des Einspeiseprofils negative Folgen für das Erlös-Ausgaben-Verhältnis des Direktvermarktes haben. Mehr dazu findet ihr in unserem Blog-Beitrag zum anlagenspezifischen Marktwert. Dieses Risiko wird auch als kurzfristiges Preis- oder Marktwertrisiko bezeichnet.

Die schöne alte Welt

Der Großteil des erneuerbaren Stromes wird am kurzfristigen Spotmarkt (Day-Ahead- und Intraday-Markt) gehandelt. Beim Start der Direktvermarktung bewegte sich dieser auf einem relativ konstanten Level und in einem engen Preiskorridor. Im gesamten Zeitraum 2015 bis 2016 schwankten die Day-Ahaed-Preise zwischen -130 und 200 €/MWh. Die jährliche Standardabweichung - also wie weit im Durchschnitt ein einzelner Werte vom Mittelwert entfernt lag - betrug im selben Zeitraum maximal 17,77 €/MWh. In diesem Marktumfeld konnten die kurzfristigen Mengen- und Preisrisiken gut bewertet werden. Die Direktvermarkter waren deshalb in der Lage diese Risiken und die Vermarktung der eingespeisten Energie gegen eine fixe Gebühr anzubieten. Da ein fixes Dienstleistungsentgelt schön transparent, einfach vergleichbar sowie maximal simpel in der Abrechnung ist, war dieses Produkt seit Einführung der Direktvermarktung der Bestseller und wurde zum Marktstandard.

Der Ukraine-Krieg schüttelt die Direktvermarktung durcheiander

Am 24. Februar 2022 begann Russland dann seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die gesamte Ukraine. Die in der Folge ausgebliebenen Gaslieferungen aus Russland hatten gewaltige Auswirkungen auf die europäischen Energiemärkte und auch auf den deutschen Spotmarkt.

Bereits im Jahr vor der russischen Invasion haben die Preise und die Volatilität kontinuierlich angezogen von:

  • einer Preisspanne von maximal 187 €/MWh und einer Standardabweichung von 17,78 im ersten Quartal 2021 hin zu
  • einer Preisspanne von maximal 620 €/MWh und einer Standardabweichung von 94,81 in den letzten drei Monaten des Jahres.

In 2023 lag die maximale Preisspanne dann bei 890 €/MWh und die Standardabweichung bei 142,80 €/MWh - das heißt im Durchschnitt wichen die Preise mehr als zehnmal mehr vom Mittelwert ab als in 2015 oder 2016. Die Preise haben sich auf einmal also nicht mehr auf einem konstanten Level und in einem engen Korridor bewegt, sondern haben immer neue Rekorde gebrochen. Mit dem gestiegenen Preisniveau und der gewachsenen Volatilität standen die Direktvermarkter vor ganz neuen Herausforderungen, denn die Skalen für die kurzfristigen Preis- und Mengenrisiken hatten sich auf einmal verschoben. Das führte dazu, dass die Werkzeuge für die Bewertung und das Kontrollieren dieser Risiken von den Direktvermarktern neu kalibriert werden mussten.

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Verlauf der jährlichen Min- & Max-Werte sowie des Mittelwertes der EPEX-Day-Ahead-Preise

Wenn die Preise und damit auch die Volatilität zunehmen, steigen auch die Risiken und Kosten für die Direktvermarkter. Prognoseabweichungen werden dann wesentlich teurer und auch eine kleine Verschiebung des Einspeiseprofils kann den anlagenspezifischen Marktwert stark verändern.

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Verlauf der jährlichen Standardabweichung sowie des Mittelwertes der EPEX-Day-Ahead-Preise

Wie helfen dynamische Dienstleistungsentgelte den Betreibern?

Bei solchen extremen Marktbewegungen kann der Direktvermarkter mit einem fixen Entgelt dann schnell in die Verlustzone rutschen. Gleichzeitig führt eine höhere Risikovorsorge durch zusätzliche Puffer bei einem fixen Entgelt immer direkt zu schlechteren Konditionen für den Betreiber. In einem “normal” verlaufenden Marktumfeld würde der Betreiber also immer etwas zu viel bezahlen.

Bei einem dynamischen Entgelt wird dieser Puffer nicht gebraucht, denn dynamische Dienstleistungsentgelte passen sich an das Preisniveau an und können so die mit den gestiegenen Preisen verbundenen höheren Vermarktungsrisiken und -kosten abdecken. Mit dynamischen Entgelten können sich Direktvermarkter also gegen extreme Preissprünge absichern ohne in einem “normal” verlaufenden Marktumfeld einen Aufschlag von den Betreibern einfordern zu müssen.

Bleibt es bei der Produktvielfalt in der Direktvermarktung?

Mittlerweile ist das Preisniveau an den Strommärkten wieder zurückgegangen, aber der zunehmende Ausbau der erneuerbaren Energien, sorgt weiterhin für eine große Volatilität an den Märkten. Weitere globale Unsicherheiten sorgen zudem dafür, dass die Direktvermarkter vorsichtiger bei der Risikovorsorge geworden sind. Deshalb sind auch die dynamischen Entgelte in der Direktvermarktung geblieben.

Doch wie beschrieben bieten die dynamischen Dienstleistungsentgelte auch Chancen, denn insbesondere bei fallenden Marktpreisen kann ein dynamisches Entgelt für den Betreiber günstiger sein. Bei der Ausgestaltung der dynamischen Dienstleistungsentgelte waren die Direktvermarkter durchaus kreativ, was den Vergleich der Angebote sowie die Berechnung bzw. Rechnungsprüfung wesentlich komplexer macht.

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Darstellung eines dynamischen Dienstleistungsentgeltes mit fixer Komponente und in abhängig vom Monatsbase

Auf der Plattform finden Sie eine Reihe an Werkzeugen, wie einen standardisierte Darstellung der Erlösformel, eine graphisch aufbereitete Darstellung des Dienstleistungsentgeltes sowie unseren Erlös- und Entgeltrechner, die Ihnen beim Vergleich der unterschiedlichen Angebote helfen. Mehr dazu finden in dieser Serie an Blog-Beiträgen. Wir sind überzeugt, dass in der neuen Produktvielfalt auch Chancen für Sie als Betreiber stecken. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen zum Angebotsvergleich haben.